Rosemarie Beijan wusste schon im Alter von sieben Jahren, dass sie Frauen toll findet. Sie selbst ist 65. Ihre Familie hat die lesbischen Gefühle nur als jugendliche Phase abgetan, doch das war es nicht. Rosemarie zeigt sie sich als selbstbewusste Frau und bekennt sich zum Lesbisch-Sein, die sich für die Rechte dieser einsetzt. Rosemarie, von ihren Freundinnen Rosi genannt wird, sagt selbst, dass sie ihre Sexualität nur so ausleben konnte, weil es Menschen wie Dagmar Schönfeld gab.
Dagmar war in den 1980er Jahren Berlins „Königin der Nacht“ und hat mit dem Club „Die Zwei“ einen Party-Raum für Frauen geschaffen. Dieser Raum eröffnete Frauen die Möglichkeit, nicht nur zu feiern, sondern auch ihre Liebe neu auszuleben. Insbesondere lesbische Frauen haben dort einen Raum bekommen. Rosi ist eine dieser Frauen gewesen, die sich dort getroffen, getanzt und auch geflirtet hat?
Von der Idee zur Verwirklichung
Rosi gefiel das Konzept, wollte aber mehr. Sie wollte einen Ort schaffen, in dem sich verschiedene Menschen aus der homosexuellen Gemeinschaft treffen können, egal welchen Geschlechts. 1984 – an ihrem 26. Geburtstag – hatte sie den Entschluss gefasst, dass es einen solchen Ort braucht. “Ich wollte mit meinen Freundinnen und Freunden feiern gehen. Aber die Jungs sind nur in die schwulen Räume reingekommen und die Mädels in die Lesbischen. Da kam mir die Idee, dass sich was ändern muss“, sagt sie.
Zwei Jahre später, 1986, ist es so weit: Rosi erfüllt sich den Traum vom eigenen Club. Inspiriert durch den Song „Lipstick Powder And Paint Chords“ von Shakin Stevens hat sie ihn „Lipstick“ genannt. Den Laden hat sie gemeinsam mit ihrer Freundin eröffnet. „Der Name passte perfekt zur Szene und zur Stimmung“, fügt sie an. Ein entscheidendes Ereignis: „Das war auch der Moment, an dem meine Familie verstanden hat, dass ich nicht auf Männer stehe.“
Das „Lipstick“ am Richard Wagner Platz 1 in Charlottenburg ist der Tanztreff und gilt als homosexueller Schmelztiegel Ende der 1980er. Endlich ein Rückzugsort für tausende homosexuelle Menschen. Menschen aus aller Welt kamen zum Feiern.
Das Motto des Moments und der Zeit lautet: „Wir lassen uns nicht mehr vertreiben und zeigen, dass wir hier sind. Das hat alle angespornt“, erzählt Rosi.
An Tagen mit D (Dienstag und Donnerstag) sowie sonntags konnten Schwule und Lesben gemeinsam feiern – eine Premiere. An den restlichen Tagen wurde getrennt gefeiert. Das „Lipstick“ hat mit Partnern wie dem homosexuellen Club SchwuZ, den es heute noch gibt, Welten zusammengebracht. Heute ist das gemeinsame Feiern eine Selbstverständlichkeit und Rosi und ihr Team Pioniere ihrer Art.
Das Team war mit zwölf Menschen besetzt, und Rosi wurde zur besten „Tresenschlampe“ Berlins. Schmunzelnd erzählt sie: „Ich war gern die ‘Tresenschlampe’. Das ist nichts Schlimmes. Es war für mich und aus der Gemeinschaft heraus etwas Gutes.“ Sie hat den Menschen zugehört, wenn sie Liebenskummer hatten, und genau gewusst, was die Leute trinken wollen.
Sie selbst beschreibt sich als Lesbe, die sich gern schminkt. Das ist für die damalige Zeit untypisch gewesen. Denn in der Lesbenwelt der Achtziger gibt es zwei Lager: die „Kessen Väter“, die Anzüge tragen und sich burschikos zeigen, und die „Ökolesben“, die sich wenig um Make-Up kümmern.
Rosi fand es toll, dass sie einen Ort geschaffen hat, der auch diese Gruppen verbindet: „Einige der Lesben haben angefangen, sich zu schminken, sich anders anzuziehen. Das fand ich auch ganz schön. Es ist wirklich ein buntes Publikum geworden.“
Tausende feiern die neu gewonnene Freiheit
Rosi unterstreicht, dass es ihr nicht nur um den kommerziellen Party-Aspekt ging. Denn das Ausleben der eigenen Homosexualität war und ist heute noch gefährlich.
Es hat Zeiten gegeben, in denen Rosi für die Besuchenden mehr als nur die „Tresenschlampe“ war: Insbesondere Männer hatten zur Zeit des „Schwulen Klatschens“, welches ein Ausdruck für Gewalttaten an Homosexuelle Männer ist, Sorgen. „In einer Zeit, in der es besonders viel Gewalt gegen Homosexuelle gegeben hat, waren die Jungs auch bei uns, denn wir haben einen Schutzraum geschaffen. Ich war so etwas wie die Mutti und habe sie mit dem Lipstick beschützt.“
Rosi ist stolz auf ihr Lebenswerk, das allerdings nach dem Mauerfall ein schleichendes Ende gefunden hat: Die neue Konkurrenz in Ost-Berlin war attraktiver und preiswerter. Für Rosi bedeutete das Ende 1996 auch den Weg zurück in den vorigen Beruf als Pflegerin.
„Leider ist die Lesben- und Schwulenszene etwas undankbar. Wo etwas Neues eröffnet wird, rennen alle hin“, bedauert sie. Auch der finanzielle Aspekt spielt bei der Schließung eine wichtige Rolle. Frauen stehen finanziell anders als Männer da und haben somit weniger Kaufkraft. Aus diesem Grund sind auch heute viele Orte für Lesben verschwunden.
Am Ende ist es für Rosi wichtig gewesen, einen geschützten Ort wie „Lipstick“ für die Gäste zu schaffen. „Insgesamt war es wichtig, das „Lipstick“ so zu gestalten, wie wir es eröffnet haben. Dadurch haben sich auch andere getraut, diesen Schritt zu gehen,Bars zu eröffnen und auch ihrer Sexualität einen neuen Raum zu geben“, sagt Rosi.
Sie fügt hinzu: „Es kann einen schon mit Stolz erfüllen, ein Projekt zu verwirklichen, das längst überfällig war. Und plötzlich spricht die ganze Stadt, das ganze Land und ganz Europa über dich.“ Berlin konnte nur durch Menschen wie Rosi zu der homofreundlichen Stadt werden, die sie heute ist.
Eine kleine Korrektur zum Thema ,mit dem Lippenstift Grschichte schreiben.
Die Discothek Lipstick befand sich am Richard Wagner Platz 1 in Charlottenburg und nicht in der Motzstraße in Schöneberg..Super Bericht. Danke dir liebe Bena